Nun, wir haben die lange Fahrerei überstanden und waren ganz außer uns vor Freude, als wir am Nachmittag endlich in die kleine Straße einbogen, an der unser Haus liegt. Dort haben wir zuerst einmal richtig die Sau rauslassen müssen. Die Straße war nämlich noch immer nicht fertig. Wir konnten gar nicht in unseren Hof hineinfahren und Chefin und Boss mussten das ganze Zeug, das sie in Kaltland eingekauft hatten, mühsam über einen Meter breiten Graben schleppen. Da haben wir die faulen Arbeiter mal ordentlich ausgekläfft, und ihr werdet es glauben oder nicht, schon nach ein paar Tagen wurde der Graben vor unserem Eingangstor zugeschüttet und eine Einfahrtrampe aufgeschüttet, damit wenigstens unser lieber Smart in den Hof fahren konnte. Der Bus musste noch eine Weile draußen bleiben. Aber den kann die Chefin ohnehin nicht so arg leiden wie den Smart, weil er sich im Hof immer so breit macht.
Das Wetter war jetzt richtig heiß, so ein typisch orangenländischer Sommer. Wir gingen regelmäßig zum Baden ans Meer, wobei ich meine Schwimmtechniken weiter ausfeilte und Lara schon auf kürzeste Entfernung abhängte. Natürlich besuchten wir auch wieder die Eisdiele oder gingen in einem der vielen Restaurants essen, aber meist durfte von uns beiden Kleinen – die sagten immer noch „Kleine“ zu uns, obwohl wir inzwischen größer waren als Onkel Ari und Tante Kyra – nur eine mit. Einmal allerdings mussten Tante Kyra und Onkel Ari zuhause bleiben. Da machten nur Lara und ich mit Chefin und Boss eine Ausfahrt mit dem Smart, zunächst nur zu einer komischen Kirche, die eigentlich eine Höhle war, doch dann immer weiter in die wildesten Berge unserer Umgebung. Ich war mir sicher, unsere Menschen hatten sich verfahren, zumal der Weg ganz schlecht wurde und auch der Himmel plötzlich ganz dunkel war. Und weil ich mal wieder kotzen musste, kein Wunder bei so einer Holperstrecke, ließen sie uns schließlich mehrere Kilometer hinter dem Auto herrennen. Das hat uns natürlich viel Spaß gemacht, aber das war auch ganz schön wild da draußen in den Bergen. Immer wieder sahen wir am Straßenrand riesige Ziegen mit noch riesigeren Hörnern, doch wir konnten uns nicht lange mit ihnen aufhalten, weil Chefin und Boss mit ihrem Smart ja weiterfuhren. Wir waren erst am Abend wieder zuhause und Onkel Ari und Tante Kyra staunten nicht schlecht als wir ihnen von unseren Abenteuern erzählten.
Chefin und Boss hatten ihren Badepool aufgebaut. Das ist nur so ein Plastikpool, doch er enthält richtig viel Wasser. Unseren Menschen scheint es wahnsinnig Spaß zu machen in diesem Pool herumzuplanschen. Und da ich natürlich auch gerne schwimme, dachte ich mir, das wäre doch auch für mich ganz nett. Also nahm ich gehörigen Anlauf und sprang an einem sonnigen Morgen platsch in den Pool. Das Wasser war herrlich frisch und gar nicht salzig wie das Meer, in dem wir sonst baden gingen. Doch es war so tief, dass ich nur ab und zu mit den Hinterbeinen auf den Grund kam. Der Pool war von einem dicken, luftgefüllten Wulst umgeben, den der Boss mit Hilfe einer Tauchflasche aufgeblasen hatte. Ich war inzwischen ausreichend abgekühlt und wollte eigentlich wieder raus aus dem Pool. Doch wie, wenn da keine Treppe oder Leiter ist. Nach einer Weile stand ich jaulend am Poolrand und rief nach Lara, der Chefin, nach Boss und Onkel Ari und Tante Kyra. Was weiß ich, warum die mich nicht hörten. Mir war kalt, und ich kläffte aus Leibeskräften. Endlich kam Lara angerannt und fragte was los sei. Die glaubte natürlich, es wäre ein Leichtes aus dem Pool herauszuspringen. „Das Wasser ist hier drinnen viel tiefer als es von außen aussieht“, sagte ich ihr. „Du kannst dich nicht vom Boden abstoßen und über den Rand hüpfen. Es geht einfach nicht. Hol die Chefin oder besser den Boss, der macht kein so großes Theater!“ Natürlich holte sie die Chefin. Natürlich gab's Theater, und ich musste versprechen, den Pool fortan nicht mehr zu betreten. Der sei nur für Menschen und Meerschweinchen musste ich mir von Tante Kyra sagen lassen, die mich patschnass wie ich war auch noch ausschimpfte. „Du hättest darin ertrinken können!“, knurrte sie. „Wenn unsere Menschen nicht da gewesen wären, wer hätte dich rausgezogen?“ Okay, ich hab's kapiert. Plastikpools sind nichts für Hunde. Doch das mit den Meerschweinchen interessierte mich schon. Können die überhaupt schwimmen fragte ich Tante Kyra. Kyra meinte sie können und zwar gut. Drum würden sie auch „Meerschweinchen“ heißen. Wahrscheinlich, weil sie immer ins Meer gingen um zu baden, dachte ich mir.
Da fing Lara eines Tages an, sich zu verändern. Sie blutete hinten, und ich wusste nicht warum. Auch im Kopf war sie plötzlich ganz anders, um nicht zu sagen, sie hatte plötzlich einen ganz schönen Schuss. Sie wollte nicht mehr spielen und sich dafür lieber in der Sonne räkeln, wollte lieber zu Onkel Ari als zu mir. Ich war sehr besorgt, leckte sie hinten sauber, leckte ihr auch übers Gesicht und fragte sie, was los sei, doch sie wusste es nicht. Sie sagte nur, ihr sei so komisch, sie komme sich so leicht und beschwingt vor, dabei sah sie gar nicht so leicht aus. Ich erkundigte mich mal vorsichtig bei Tante Kyra, doch die meinte nur trocken: „Hämorrhoiden sind's keine, Kindchen, die hat ihre Tage“. Und dann ging sie hin zu ihr, beschnupperte sie in diagnostischer Weise ausgiebig und sagte dann weiter: „Nun ist er vorbei der süße Geruch der Kindheit. Jetzt geht's also bei den Mädels auch schon los. Das wird ne schöne Kacke werden mit Onkel Ari. Der wird mir noch durchdrehen“. Ich schnupperte auch noch mal an Lara, und wirklich, sie roch strenger, schärfer, fast menschlich. Onkel Ari stand daneben und grinste verlegen, aber von dem Tag an hechelte er wie ein Irrer nur noch um Lara herum. Ich musste Lara förmlich beschützen vor ihm. Und ich weiß gar nicht, was er eigentlich von ihr wollte. Ein paar Mal hat er sogar versucht von hinten auf sie hinaufzusteigen, als wolle er auf ihr reiten, wie er das seinen Erzählungen zufolge ja schon auf Kamelen in der Wüste gemacht hatte, doch Lara hat ihn mit meiner Hilfe abgeschüttelt. Am Abend als Ari und Kyra schon im Haus waren, hat sie mir aber gesagt, dass das zwar ein komisches, aber durchaus angenehmes Gefühl gewesen sei, als er auf ihr habe reiten wollen. Sie bat mich, es doch auch mal bei ihr zu versuchen, weil sie dieses Gefühl nochmals durchchecken wollte. Ich hab's ihr zuliebe gemacht, hat mir zwar nichts gebracht, aber Lara war ganz happy, drum bin ich die nächsten Tage oft auf ihr geritten, während Chefin und Boss höllisch aufpassten, dass Onkel Ari nicht zum Zuge kam. Ich hab nicht kapiert, warum nicht er auch auf Lara reiten sollte, wenn er doch schon auf Kamelen geritten ist und die Menschen offenbar nichts dagegen hatten, wenn ich auf Lara ritt. Aber manche Dinge, bei denen der Mensch seine Finger im Spiel hat, sind einfach undurchschaubar. Als ich Tante Kyra nochmals dazu befragte, sagte sie nur, das sei wegen den Bälgern, die dann kommen würden, und die könnten wir hier nun ganz bestimmt nicht gebrauchen, und ich war auch nicht schlauer als vorher. Glücklicherweise hat das alles nur einige Tage gedauert. Danach war Lara wieder so normal wie vorher. Onkel Ari hat zwar noch ein paar Tage länger gesponnen, doch dann ließ das Verrücktsein bei ihm auch allmählich nach, und er wurde wieder fast so normal wie er früher war.
An einem nicht ganz so heißen Tag machten wir einen Radausflug. Der Boss hatte für Tante Kyra, die bekanntlich nicht mehr so fit im Laufen ist, extra einen kleinen Fahrradanhänger eingekauft und an sein Rad montiert. Die Chefin hatte Fleischküchle, harte Eier, Essiggurken, Hundekekse, Landjäger, frisches Brot und Getränke in den Rucksack gepackt und sich diesen auf den Rücken gebunden. Kyra saß in dem Anhänger, wir liefen an der Leine neben der Chefin her und Onkel Ari sorgte dafür, dass keiner von uns verloren ging. Unsere Gruppe sah ganz toll aus. Jedenfalls haben alle Menschen vor Freude gelacht und uns nach gewunken als sie uns gesehen haben. Wir fuhren über kleine Straßen, auf denen es nur ganz wenig Autos gibt zu einem großen Hügel, der ganz dicht mit Büschen bewachsen war. Dort machten wir Picknick. Eh, das war echt stark. Wir bekamen jeder ein hartes Ei und Hundekekse und Wasser. Es war mein erstes hartes Ei. Ich wusste gar nicht wie man so was isst. Onkel Ari trug sein hartes Ei ganz vorsichtig im Maul spazieren und schien auch Probleme damit zu haben. Tante Kyra hatte es sich zwischen die Vorderpfoten gelegt und schaute es nachdenklich an. Nur Lara hatte nichts anderes zu tun als Herumzublödeln und das Ei in die Luft zu werfen. Einmal fing sie es wieder auf, es war nicht kaputt, doch das zweite Mal fiel es auf den Boden. Nun wusste ich, wie man Eier öffnet um sie zu essen. Erst hochwerfen, dann auf den Boden fallen lassen, dann aufessen! Und tatsächlich, Onkel Ari verwendete eine ähnliche Technik. Nur Tante Kyra ging anders vor. Sie hackte einen ihrer Eckzähne in die Eierschale und knackte anschließend das Ei genüsslich mit den Zähnen.
Wir kamen erst abends wieder zurück nach Hause, natürlich todmüde von der langen Strecke und den Abenteuern. Schließlich hatten wir Krähen verjagt, einen Fuchs gesehen, sechs Katzen verfolgt und in einem getrockneten Flussbett mehrere Ratten gesehen. Tante Kyra hatte sich in einem Olivenhain einen Dorn in den Fuß getreten, den der Boss mühsam entfernte, doch sie fuhr eh die ganze Zeit nur im Anhänger mit, und bis wir zuhause waren, war der Fuß schon wieder gut.
Die Tage vergingen. Es waren schöne Tage. Doch ich spürte schon seit einer Weile eine ungewisse Unruhe in unseren Menschen. Der Boss werkte jeden Tag ein paar Stunden am Bus und am Hänger. Er arbeitete an der großen Maschine im Anhänger, die laut Kyra Kompressor hieß. Er machte sie sogar ein paar Mal an und pumpte damit angeblich Luft in die silbernen Tauchflaschen, die ebenfalls im Anhänger standen. Das hat zwischendurch gefährlich gezischt und geknallt, so dass Lara und ich sicherheitshalber in den hinteren Teil des Gartens abgehauen sind. Auch im Haus herrschte bedenkliche Unruhe. Die Chefin fing plötzlich an alles aufzuräumen und zu putzen. Auch unsere schöne Gartenbank, auf der wir uns manchmal - natürlich verbotenerweise - sonnten, wurde in die Werkstatt getragen. Eines Abends kam Tante Lia zu Besuch, eine ältere Dame, die bei uns in der Nachbarschaft wohnte, und bei der wir auch schon mal auf Besuch waren. Ich hörte wie Tante Lia mit Chefin und Boss sprach, und es ging dabei um Flugplätze, Flugzeuge und Termine. Ich sagte zu Lara: "Wir verreisen sicher bald wieder, du wirst sehen!"
Tatsächlich! Nach einigen Tagen packten Chefin und Boss wieder den Bus und diesmal sogar den Anhänger voll. Lara und ich passten genau auf, was sie einpackten. Je mehr Hundefutter, desto länger würde die Reise dauern. Sie packten Unmengen an Hundefutter ein! Wir würden also auf eine größere Reise gehen, und für was brauchten die auch sonst den Anhänger? Ich fragte Tante Kyra ob sie wüsste, wohin es denn gehen würde. Sie sagte nur „Sinai“, und da wusste ich schon: Wüste, Meer, Kamele. Onkel Aris und Tante Kyras Erzählungen schwirrten mir ohnehin den ganzen Tag im Kopf herum. Ich erzählte es Lara. Wir beiden freuten uns wahnsinnig auf diese Reise, würden wir doch all die Abenteuer, von denen Onkel Ari und Tante Kyra erzählt hatten, nun selber erleben können.