Den Motor vom Bus erkannten Kyra und Onkel Ari schon aus weitester Entfernung, und als Ari plötzlich die Ohren stellte und lauschte und dann aufsprang um hinunter zu eilen, da wussten wir schon, Chefin und Boss würden gleich da sein und mit ihnen unsere Gäste.

Hurra, neue Gäste! Bosses Eltern kamen an. Das versprach Aktion und Abenteuer. Als Chefin und Boss mit Sepp und Vevi, so hießen die Eltern vom Boss, aus dem Bus ausstiegen, waren wir ein bisschen enttäuscht. Die beiden waren schon alt und schienen nicht arg aktiv zu sein, jedenfalls hüpften sie zur Begrüßung gar nicht mit uns herum, wie es Chefin und Boss immer taten. Trotzdem wurden es ganz tolle Tage. Besonders der Sepp, der Bossvater konnte uns gut leiden und hat jeden Tag eine Weile mit uns gespielt. Nur war er viel langsamer als wir, und bis er von einem Orangenbaum zum anderen gegangen war, hatten wir eine ganze Runde durch den Garten gedreht. Und er hat auch den ganzen Komposthaufen umgegraben – es sei sein Hobby, hat er mir erklärt – und da waren jede Menge Viecher drin versteckt, Eidechsen, Scolopender und riesige Käfer und Wanzen und viele Spinnen.

Anfangs fand ich die Spinnen ganz cool, vor allem nach Tante Kyras Erzählung, und weil die Chefin davor Angst hatte. Ich hab die Spinnen immer mit der Pfote angeschubst. Sind sie nicht etwa weggelaufen, nein, sie haben sich zusammengekauert und hingesetzt. Weil Lara mir erklärte, man könne all diese Viecher essen, und Lara hat auch wirklich fast alles gefressen, hab ich dann mal eine Spinne probiert, eine ziemlich große, fette, rot-schwarze. Pfui Teufel, war die bitter. Seither graust es mir ein bisschen vor Spinnen.

Marienkäferspinne
Marienkäferspinne

Ganz toll fand ich auch, dass es jeden Tag ganz feine Sachen zum Essen gab und fast immer etwas davon für uns übrig blieb. Schon morgens nach unserem offiziellen Frühstück brachte uns der Bossvater meist ein paar kleine Happen. Das durfte die Chefin natürlich nicht wissen, denn als sie es einmal sah, hat sie gleich fürchterlich geschimpft, und dann hat der Bossvater die Ohren angelegt und ist davon geschlichen. Aber er hat uns trotzdem weiter was zukommen lassen, weil er ein Opa war, und Opas machen das immer so mit den Kleinen. Vevi, die Bossmutter, kümmerte sich dagegen kaum um uns, und als der Bossvater eines schönen Tages meinte, er würde die Lara gerne mitnehmen, da hat sie ganz heftig protestiert dagegen, weil sie dann das ganze Drecksgeschäft zu erledigen hätte mit dem Hund. Als ob wir irgendein Drecksgeschäft verursachen würden! Aber ganz so schlimm, wie sie sich nach außen hin gab, war sie auch wieder nicht. Einmal hat sie mir sogar einen großen Knochen geschenkt.

Jetzt, wo Besuch da war, durfte fast jeden Tag eine von uns mit in die Eisdiele. Lara liebte die Eisdiele ganz besonders, weil sie dort immer was zum Schlecken bekam. Ich selber bin auch ganz gerne hingegangen, hatte aber immer ein bisschen Angst vor der Altstadtbande, von der Onkel Ari erzählt hatte. Und immer, wenn ich dort in der Nähe einen Hund sah, hab ich mich schnell hinter der Chefin versteckt.

Wir haben auch ein paar schöne Ausflüge gemacht. Am besten hat mir der gefallen, als wir auf einen ganz hohen Berg hinaufgestiegen sind, auf dem ein heftiger Wind wehte. Die Bossmutter hat es gar nicht geschafft auf den Berg hinauf zu gehen, drum hat der Boss sie mit dem Bus hinaufgefahren. Die faule Tante Kyra ist gleich mitgefahren. Doch Chefin, Ari, Lara, ich und der Bossvater, wir waren schon vor dem Bus oben und haben hinunter geschaut wie die hochgefahren sind. Bei den vielen Kurven wäre es mir wahrscheinlich wieder schlecht geworden.

Ein anderer Ausflug war auch ganz toll, Da sind wir alle zusammen ans Meer gefahren und zu einer kleinen Kirche geschwommen, also wir Hunde sind geschwommen, die langbeinigen Menschen sind natürlich einfach so durchs Wasser gelaufen. An der Kirche haben wir Rast gemacht, Lara und ich tollten eine Weile in der Sonne herum bis wir wieder richtig trocken waren und danach ging's den ganzen Weg durchs Wasser wieder zurück. Aber wir konnten ja schon richtig schwimmen und hatten längst keine Angst mehr vor dem Wasser.

Ausflug ans Meer
Ausflug ans Meer

Als die Bosseltern wieder abreisen mussten, durften wir Hunde sie zum Flughafen begleiten. Kyra hatte recht gehabt, es war eine scheußliche Fahrerei, aber es war auch ein großes Erlebnis zum ersten Mal Flugzeuge zu sehen. Kyra erklärte uns, dass Menschen und Meerschweinchen mit den Flugzeugen überall hin fliegen würden und viel schneller ankommen würden als mit dem Auto. Und die Flugzeuge seien riesig groß, wie Häuser, und trotzdem könnten sie fliegen wie eine Feder im Wind. Nun, die Bosseltern verschwanden im Flughafen und wir fuhren weiter, über ziemlich kurvige Straßen zu einem schönen Plätzchen am Meer, wo wir den ganzen Tag spielten, uns sonnten und badeten. Da war eine richtige kleine Höhle am Wasser, in die Chefin und Boss hineinkrochen. Ich hab mich nur ein bisschen hineingetraut, weil es drin so dunkel war und so merkwürdig gegluckst hat.

Lucy am Meer
Am Meer haben wir auf Oma Gerdas Ankunft gewartet

Später haben Chefin und Boss im Auto Vesper gemacht und danach sind wir wieder zurück zum Flughafen gefahren, weil wir die Oma Gerda dort abholen wollten. So ganz vage erinnerte ich mich noch an sie. Sie war eine etwas rundliche ganz liebe ältere Frau, die wir schon mal gesehen hatten, als wir noch ganz klein waren. Das war glaub ich zu der Zeit, als ich noch dachte, die Chefin sei wie der Boss ein Mann. Vielleicht lebte damals sogar die Lisa noch. Jedenfalls holten Chefin und Boss tatsächlich die Oma Gerda aus dem Flughafen heraus, und wir fuhren zurück nach Hause, nicht ohne vorher am Kanal von Korinth Rast zu machen. Auf diesen Kanal kann man von einer schwindelerregend hohen Brücke aufs Meer hinunterschauen. Da fahren große Schiffe durch, wie die, von denen Onkel Ari und Tante Kyra erzählt hatten. Ich hab mir das alles genau angeschaut, und mir ist fast schwindlig geworden dabei. Komisch, Lara scheint dies alles gar nichts auszumachen. Die kann im Kreis herumhüpfen, stundenlang auf kurvigen Straßen Auto fahren und von den höchsten Brücken in die Tiefe schauen und fühlt sich pudelwohl dabei. Ja, ja, ich bin eben anders. Oma Gerda und unsere beiden Chefmenschen sind dann noch in ein Fastfood-Restaurant gegangen, von denen Kyra schon mal verächtlich erzählt hatte, dass es dort nur Abfall zum Essen gäbe. Aber sie haben uns eine ganze Tüte Pommes Frites mit herausgebracht, auf die wir inzwischen ganz besonders scharf waren, weil Onkel Ari immer von den McDonny Fritten geschwärmt hatte und es schon dunkel wurde und wir immer noch nichts zu Abend gegessen hatten. Es dauerte auch nochmals eine Stunde, ehe wir zuhause waren und unser normales Futter bekamen. Und wir waren müde, hundemüde von der Reise und den Aufregungen die wir erlebt hatten.

Aufregend blieb es auch die nächsten Tage. Gleich am ersten Tag stürzte Oma Gerda beim Spaziergehen auf einem Feldweg und kugelte wie ein zusammengerollter Igel ins Gras. Dann stolperte sie am dritten Tag im Hof und knallte gegen unseren Bus, so dass wir schon dachten, der Spiegel vom Bus wäre nun kaputt (wo sollte sich die Chefin denn dann frisieren?!). Der Boss meinte, die Oma Gerda hätte sich wohl eine Rippe oder zwei gebrochen und müsse sich eine Weile schonen. Weil aber noch mal drei Menschen auf Besuch kamen, alte Bekannte von Kyra und dem Boss, die sonst in Kaltland wohnten, wie ich so nebenbei mitbekam, wollte sie sich dann doch nicht schonen. Einer dieser Menschen war allerdings noch klein, ein vermutlich nicht ganz ungefährliches Mädchen, das prompt dauernd auf uns losging. Vor der konnte man richtig Angst bekommen, obwohl sie uns eigentlich nie wirklich etwas getan hat. Die drei hatten auch so einen weißen Bus wie wir, nur war der noch größer. Wir sind dann alle zusammen nochmals nach Monemvasia gefahren, wo wir einige Wochen vorher schon mal gewesen waren. Es wurde wieder eine richtige Abenteuerfahrt, besonders für mich. In der Mittagspause fand ich einen ganz komischen Käfer, der mit einer dicken Kugel rollen spielte. So was hat die Welt noch nicht gesehen! Da gibt's doch tatsächlich Käfer, die mit Kugeln spielen. Ich hab ihm die Kugel mal weggenommen, aber es hat ihm gar nichts ausgemacht. Er hat eine Weile gesucht, und dann hatte er sie wieder gefunden. Da hab ich sie ihm halt gelassen, weil es ein netter Käfer war.

Lucy und Pillendreherkugel
Die komische Kugel vom Käfer

Obwohl wir wieder viele Kurven gefahren waren, hatte ich gut durchgehalten, und mir war nicht schlecht geworden. Doch dann gegen Abend suchten wir für Oma Gerda ein Hotel, fanden aber zuerst keines. Dafür haben wir an einem schönen Platz am Meer Rast gemacht. Ich war schon richtig hungrig, doch weder Chefin noch Boss schienen das zu bemerken. Ich sagte etwas zu Kyra deswegen, doch auch die machte ausnahmsweise keine Anstalten, dem Boss Bescheid zu geben, obwohl sie sonst immer gleich zu ihm hinging und es ihm sagte, wenn wir Hunger hatten. Ich bin also so ein bisschen herumgestreunt, da fand ich einen wunderschönen Haufen halb getrocknete Kacke, wahrscheinlich Menschenkacke. Die roch noch so gut nach wertvollen Nährstoffen, dass ich sie am Stück verschlang. Nun fuhren die aber weiter, ehe ich mich zur Verdauung eine Weile hinlegen konnte, und da ist mir elend schlecht geworden. Vielleicht war ja auch die Kacke nicht mehr gut. Ich lag jedenfalls vorne vor dem Beifahrersitz zu Füßen von Oma Gerda und der Chefin und hab dort alles wieder herausgekotzt. Zunächst hat keiner was gemerkt, weil ich ganz leise gekotzt hab und ich hoffte, es würde keiner merken, bis ich in der Nacht alles würde zur Seite räumen können. Drum bin ich auch ganz ruhig liegen geblieben obwohl das Gekotzte fürchterlich gestunken hat. Doch nach einer Weile hat der Boss die Oma Gerda so verdächtig angeschaut und dann nach einer Weile wieder und dann sagte er zur Chefin, „Da stinkt es wohl heftig von draußen rein, oder hat vielleicht die Lucy reingekackt?“ Und prompt, die Chefin schaut runter und sieht das ganze Malheur. Was dann kam kannte ich ja schon. Anhalten, Mordsgeschrei, alle raus aus dem Bus, Blamage vor Lara und Onkel Ari und Tante Kyra, Saubermachen der Decken und Teppiche im Meer und mal wieder Baden. Zugegeben, mir war's dann auch wieder wohler, und ich nahm mir vor, keine getrocknete Kacke mehr zu fressen. Ich sagte das auch zur Lara, doch die meinte nur: „So ab und zu mal ist das ganz fein. Du darfst dich nur nicht von der Chefin erwischen lassen. Und wenn du mal so ein Stückchen im Maul hast und die Chefin schaut her, um Gottes Willen nicht kauen in dem Moment, sonst weiß die sofort, was los ist und schüttelt dir das feine Stückchen wieder aus dem Maul heraus, vom Gebrüll, was dann einsetzt ganz zu schweigen“. Ich wollte es mir merken.

Wir fanden schließlich doch ein Hotel für Oma Gerda und brachten sie nach dem Abendessen dorthin. Wir durften noch eine Weile wach bleiben und am Strand herumjagen. Ich hab in der Nacht dann viel geträumt, unter anderem von einem ganzen Regal voll getrockneter Kacke, lauter kleinen, gleichmäßigen pralinengroßen Stückchen, und die Chefin stand mit einem Stecken vor dem Regal und hat gebrüllt: „Rührt mir bloß keine von diesen Pralinen mehr an!“ Dabei fuchtelte sie wie wild mit dem Stecken herum.

Am nächsten Tag haben wir dann noch einmal Monemvasia angeschaut, waren wieder in Costas Café, kriegten wieder eine Schale Wasser, während die Menschen den widerlichen Saft und Kaffee tranken. Ich fragte mich, warum ich keine getrocknete Kacke essen durfte, sie aber in aller Ruhe dieses widerliche Zeug trinken durften. Ja, irgendwie ist die Welt halt ungerecht, besonders für kleinere Hunde wie uns. Die anschließende lange Rückfahrt nach Hause hab ich total verschlafen. Ich bin praktisch erst vor dem Gartentor ausgewacht. Mir war Gott sei Dank nicht mehr schlecht geworden.

Das Wetter wurde nun immer sommerlicher, auch die Nächte waren nun so warm, dass wir nicht mehr in unserer Hütte schlafen konnten, sondern meist oben auf dem Dachzimmer lagen bei Nacht. Tagsüber gingen wir gelegentlich zum Baden ans Meer, einmal sogar zusammen mit den Menschen aus Kaltland an einen ganz tollen Sandstrand, der eigentlich für Hunde verboten ist. Da waren aber noch nicht so viele Menschen dort an diesem Tag, so dass wir ungestört Planschen und Herumschwimmen konnten.

Wir Hunde am Strand
Unser Geheimstrand

Als die Leute mit dem kleinen gefährlichen Mädchen und dem großen weißen Bus wieder abgefahren waren, zeigten wir Oma Gerda unseren schönen Geheimstrand bei Astros, den Platz, an dem Lara und ich zum ersten Mal im Meer gebadet wurden, nachdem ich sie mordsmäßig vollgekotzt hatte. Wir gingen in Astros spazieren, saßen in verschiedenen Cafés, und ich beobachtete die Katzen, die dort in großer Zahl wohnten. Tante Kyra meinte: „Wäre ich hier nicht an der Leine, würde ich kurzen Prozess mit den Biestern machen“ und schaute dabei wütend in die Richtung eines dicken, rostbraunen Katers, der sich auf einem Stuhl rekelte. Ich hatte ja eigentlich nichts gegen Katzen, aber wenn Tante Kyra was gegen sie hatte und Onkel Ari offenbar auch, dann musste man sie einfach jagen. Ich nahm mir vor, dies bei Gelegenheit zu tun.

Beim Mispel-Essen
Selbst Oma Gerda hat von den Mispel genascht

Wenn wir zuhause waren, sind wir mehrmals täglich gemeinsam spazieren gegangen, manchmal auch nur zum Mispeln klauen. Da gab es so einen heißen Betonpflasterweg an der Neubausiedlung entlang, der führte direkt zu zwei großen Mispelbäumen. Sogar Oma Gerda hat sich dort immer ganz lang gestreckt um ein paar von den Früchten greifen zu können. Den Menschen schmeckt dieses Fruchtzeug ja wohl alles, und Lara und ich haben mehr aus Gefälligkeit auch ein paar Mispeln probiert. Aber so ganz ist es doch nicht unser Essen, viel zu sauer, viel zu wenig Frischfleischgeschmack und viel zu wenig Calcium und Phosphat. Letzteres wussten wir natürlich von Tante Kyra, die bekanntlich aus ihrer Diätzeit und ihrer Zeit als Arzthund jede Menge von Ernährungslehre für Hunde versteht. An den Abenden saßen wir alle gemütlich auf dem Dachzimmer. Wir Hunde erzählten uns kleine Geschichten, und die Menschen spielten mit Karten und riefen immer wieder aus unerklärlichen Gründen „Uno“. Wir unternahmen noch einige kleinere Ausflüge mit Oma Gerda, doch schließlich, nach vielen Wochen, brachten Chefin und Boss sie wieder zurück zum Flughafen nach Athen, von wo aus sie nach irgendwohin nachhause flog. Und ich stellte mir vor, wie die Oma Gerda mit den Armen wie mit Flügeln schlagend in dem großen Flugzeug saß und hoch am Himmel dahin flog.