REISEDIARRHOE - DER GEMEINE DURCHFALL

Eine nicht nur von Tauchern als sehr lästig empfundene Urlaubserkrankung ist die sogenannte Reisediarrhoe. Fast jeden, der gerne in südliche Länder reist, hat sie schon einmal erwischt. Wenn jemand bisher noch ungeschoren davon gekommen ist, hat er Glück gehabt und braucht nicht weiter traurig zu sein. Es wird ihn schon noch treffen, ganz sicher. Es ist nur eine Frage der Zeit bis er mitreden kann.

Unter Reisediarrhoe versteht man jenes bescheuerte Krankheitsbild, das einen dazu zwingt, einige der schönsten Tage des Jahres auf einem Locus zu verbringen, der in der Regel nicht dem hygienischen Niveau des häuslichen entspricht. Dazu kommt, dass man sich ständig so elend fühlt, als müsse man im nächsten Moment das Zeitliche segnen, und dass einem schon nach wenigen Stunden der Auspuff aufgrund des Wundseins so weh tut, dass man glauben möchte, er sei durchgerostet.

Für uns Taucher ist dieses Krankheitsbild sogar ganz besonders lästig, kommt doch zu dem bereits Beschriebenen noch dazu, dass wir unseren Sport in aller Regel neoprenbeschichtet durchführen. Das heißt somit für uns, bei Diarrhoe entweder gar nicht tauchen oder aber in Kauf zu nehmen, dass sich die Neoprenbeschichtung an manchen Stellen des Körpers plötzlich deutlich abhebt.... Und (fast) keiner nimmt einen ernst, ja noch schlimmer, man wird oft genug auch noch ausgelacht. Nun, ich nehme auf jeden Fall jeden ernst, der derartig leidet, und jeder andere Arzt wird dies auch tun. Wir wissen schon warum!


Wie kommt es zur Reisediarrhoe?

Durchfall kommt gewöhnlich dann zustande, wenn sich der Netto-Wasser- und Salztransport im Darm verändert, z.B. weil die Aufnahmefähigkeit der Darmwand für Wasser und Salze abnimmt, oder diese gar vermehrt ausgeschieden werden oder durch beides. Eine verminderte Aufnahmefähigkeit des Darmes (Absorptionsfähigkeit) kann durch Schädigung der Darmschleimhaut verursacht sein, durch osmotisch wirkende Substanzen im Darm selbst (z.B. Xylose, dem beliebten Zuckerersatzstoff in vielen Bonbons) und, das ist allerdings seltener der Fall, durch eine beschleunigte Darmpassage, bei der einfach die Zeit für die Aufnahme der Nährstoffe zu knapp bemessen ist. Eine gesteigerte Ausscheidung von Wasser und Salzen kommt dann zustande, wenn die Sekretion von Chlor-Ionen aus bestimmten Zellen der Darmwand zunimmt. Alles chlor?
Ursachen der Reisediarrhoe sind praktisch immer Schädigungen der Darmschleimhaut durch Bakterien, Viren oder Parasiten. So produziert beispielsweise das berühmte Vibrio cholerae, also der Cholera-Erreger ein sogenanntes Toxin, ein Bakteriengift, welches die Salz- und Wasserausscheidung im Darm steigert, indem es eben jene bestimmten Darmwandzellen malträtiert, die dafür zuständig sind. Auch die nicht weniger berühmten Salmonellen (dazu gehört der Typhus-Erreger) - übrigens mit die Hauptverursacher der Reisediarrhoe - und krankmachende Formen von Escherichia coli (auch so ein Schlingel) produzieren derartige Toxine.


Zur Diagnostik

Diarrhoe oder Durchfall wird definiert als vermehrte Ausscheidung wässriger Stühle. Als allgemeine Richtlinie gilt: Wenn einen der Durchfall nachts aus dem Bett treibt, wenn man Gewicht verliert oder wenn gleichzeitig Blut im Stuhl zu sehen ist, handelt es sich um eine Organschädigung, welcher Ursache auch immer. Psychovegetative, also eher stressbedingte Störungen wie das Reizdarmsyndrom lassen einen normalerweise nachts in Ruhe! Die Art des Durchfalls lässt auch gewisse Rückschlüsse auf den Ursprungort der Erkrankung zu, ob eher der Dünndarm oder eher der Dickdarm betroffen ist:
Dünndarm-Durchfälle sind voluminös, nicht-blutig, oft mit diffusem krampfartigen Bauchschmerz, Zeichen der körperlichen Austrocknung und Zeichen einer gestörten Nährstoffresorption einhergehend, d.h. es finden sich jede Menge unverdauter Nahrungsbestandteile im Stuhl. Nicht gerade halbe Steaks aber doch deutlich erkennbare Nahrungsbestandteile.
Dickdarm-Durchfälle haben meist ein kleines Volumen, dafür muss man um so häufiger, oft ist Blut im Stuhl vorhanden, entweder mit bloßem Auge bereits erkennbar, oder mit chemischen Methoden nachweisbar. Typisch sind dazu Unterbauchschmerzen und krampfhafter Stuhldrang.

Ein akuter Durchfall kommt auch in heimischen Breiten recht häufig vor. Spezielle Stuhluntersuchungen sind hier in der Regel unnötig, da die Erkrankung sich in kurzer Zeit selbst ausheilt. Es sei denn,

  • Blut ist oder war im Stuhl sichtbar oder anderweitig nachweisbar,
  • der Durchfall dauert länger als die üblichen 48 Stunden,
  • es werden mehr als 6 Stühle pro Tag entleert,
  • es besteht hohes Fieber,
  • starke Schmerzen liegen vor,
  • es ergibt sich ein Verdacht auf eine Epidemie,
  • der Betroffene machte erst kürzlich eine Auslandsreise.

Stuhlproben sind diagnostisch auch nicht das Gelbe vom Ei. Wenn nämlich Viren die Erkrankungsauslöser waren, sind sie negativ, d.h. es findet sich kein Erreger. So tolle Erreger wie Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien oder Clostridien werden bei einem heimischen Durchfall nur selten nachgewiesen, aber wenn, dann müssen sie selbstverständlich ausgemerzt werden. Gelegentlich finden sich auch Parasiten wie Lamblien oder gar Amöben. Letztere lassen sich aber nur im frischen, quasi körperwarmen Stuhl nachweisen. Bei Reisen in den nahen oder fernen Osten sollte man im Falle eines "Durchfalles" an Amöben denken, besonders, wenn sich der Durchfall nicht so heftig gestaltet, sich mit Verstopfung abwechselt, mit wechselnden Bauchschmerzen und heftigen Blähungen einhergeht und wenig Krankheitsgefühl und Fieber bestehen.

Was soll aber nun unser Reisender oder unser Taucher tun, der am Ufer des Indischen Ozeans sitzt und sich die Seele aus dem Leib .... p(r)ustet?
Stuhlproben kann er nicht durchführen lassen, weil es vor Ort eh keiner macht, Krankenhaus gibt es kein richtiges und der nächste Rückflug geht ohnehin erst in einer Woche. Und für einen Sonderrückflug durch die Rettungsflugwacht fühlt er sich nun doch noch zu lebendig. Also besinnt er sich auf das, was im nächsten Absatz steht!


Therapeutische Maßnahmen

Zuhause dauert so ein Krankheitsbild meist nur 1-2 Tage. Eine spezielle Behandlung ist somit nur selten erforderlich zumal die häufigsten Erreger ja ohnehin Viren sind (Adenoviren, Rotaviren, Astroviren, Caliciviren, nur um ein paar der wohlklingenden Namen zu nennen) und somit auch Antibiotika nicht weiter helfen würden. Als Maßnahmen sind lediglich Salz- und Flüssigkeitsersatz und körperliche Schonung für kurze Zeit erforderlich.

Ist man auf Reisen, sieht die Sache ein bisschen anders aus. Drei Viertel aller Reisediarrhoen werden durch toxinbildende Escherichia coli-Erreger verursacht. Häufig sind auch andere Bakterienarten wie Salmonellen, Shigellen (Ruhr), Campylobacter und Nicht-Cholera-Vibrionen. Natürlich gibt es auch hier Virusinfektionen, z.B. Rotaviren oder Norwalk-Viren und Parasiten wie Lamblien, Cryptosporidien, Cyclosporen und Amöben. Aber die häufigste Ursache sind und bleiben die Bakterien. Und da vor Ort ohnehin keine Diagnose-sichernde Untersuchung möglich ist, gehen wir von der wahrscheinlichsten Krankheitsursache aus, wenn wir die wahrscheinlich wirksamste Therapie suchen.

Grundsätzliche Maßnahmen sind - wie zuhause auch - Salz- und Flüssigkeitsersatz. Dazu gibt es fertige Präparate (z.B. Elotrans, Oralpädon für Kinder und einige andere) oder man lässt sich vor Ort in einer Apotheke etwas mischen:

  • 3,5 g Kochsalz
  • 1,5 g Kaliumchlorid
  • 20 g Traubenzucker (Glucose)
  • 2,9 g Natriumtrizitrat

Dieses Pulver wird in einem Liter abgekochten Wassers aufgelöst und getrunken (muss nicht warm sein, schmeckt so schon scheußlich!). Je mehr man davon pro Tag trinkt, desto schneller führt man sich wieder besser. Als grobe Richtlinie empfehle ich pro gelassenem Stuhl einen halben Liter der Glucose-Elektrolytlösung zusätzlich zu der vor Ort notwendigen Flüssigkeitsmenge pro Tag zu trinken. Also 6 x Durchfall = 3 Liter zusätzlich trinken. Beträgt die normale Trinkmenge pro Tag 4 Liter (beispielsweise am Roten Meer), müssen somit mindestens 7 Liter insgesamt reingeschüttet werden!

Anders als bei einem Durchfall zuhause, ist bei Reisediarrhoe der frühe Antibiotikaeinsatz durchaus sinnvoll und gerechtfertigt. Früher verwendete man meist Trimethoprim-Sulfamethoxazol-Präparate (Cotrim forteR, BactrimR u.a.). Da sehr viele Erreger inzwischen gegen dieses Präparat resistent sind, werden heute lieber sogenannte Gyrasehemmer eingesetzt, z.B. TarividR (Ofloxacin) oder CiprobayR (Ciprofloxacin). Bei Amöbenverdacht muss man wohl oder übel Metronidazol (FlagylR, ClontR) einsetzen und dann zuhause nochmals zum Arzt um sich ein darmdesinfizierendes Antibiotikum verordnen zu lassen. Aber nicht vergessen, bei allen Antibiotikaanwendungen vorher den Beipackzettel lesen! Nicht nur wegen der Dosierung! Es gibt gelegentlich auch Einschränkungen der Anwendbarkeit (Glücklicherweise sind die Subtanzen besonders in den Ländern, in denen der Einsatz am häufigsten notwendig wird, sofern sie überhaupt erhältlich sind, sehr viel billiger als in Deutschland,...).
Bei schwerem Durchfall hat sich die zusätzliche Gabe von Loperamid (z.B. ImodiumR) bewährt, welches die Darmaktivität bremst. Wenig sinnvoll scheint mir dagegen - trotz aller Beteuerungen einschlägiger Pharma-Firmen - der Einsatz sogenannter Hefepräparate wie Bierhefe. Weder im therapeutischen noch im prophylaktischen Einsatz konnte ich selber jemals mit derartigen Präparaten einen Erfolg feststellen. Außer Spesen war nie was gewesen! Ich weiß, mancher Naturheilkundefreak würde mich für diese Aussage gerne steinigen. Aber warum solche Präparate in den Urlaub mitnehmen, wenn sie doch nicht helfen. Dann schon lieber Uzara-TropfenR, die ähnlich wie das o. g. Loperamid wirken, rein pflanzlich sind und brutal bitter schmecken. Apropos mitnehmen! Es empfiehlt sich tatsächlich bei Reisen in entsprechende Länder diese Medikamente als Reiseapotheke mitzunehmen oder bald nach der Ankunft dort in einer Apotheke einzukaufen. Wie soll man sich sonst schnell helfen, beispielsweise auf der Tauchsafari, draußen auf dem Boot?
Noch ein kleiner Tipp: Gegen das o.g. Wundsein hilft die altbewährte Penaten-CremeR ganz gut. Noch besser ist allerdings Waschen nach jedem Stuhlgang, sofern machbar...

Übrigens halte ich die besonders in Amerika praktizierte Methode der prophylaktischen Antibiotikaeinnahme für uns Taucher für nicht sinnvoll. Einige der theoretisch möglichen Präparate können die Tauchtauglichkeit beeinflussen und wären somit eh nicht einsetzbar. Andere vertragen sich nicht mit intensiver Sonneneinstrahlung... Lieber schnell und kräftig therapieren, wenn es wirklich losgeht. Dann wird solange therapiert, bis man sich wieder wohl fühlt plus 2-3 Tage extra!


Womit wir wieder beim Tauchen sind, endlich!

Also mit Tauchen ist nix drin bei Durchfall. Weniger wegen der Neoprenschicht, ob's die mal abhebt, ist im großen und ganzen wurst, als vielmehr wegen einem deutlich höheren Risiko einen Deko-Unfall zu erleiden. Beim Tauchen verlieren wir ohnehin schon relativ viel Flüssigkeit durch die verstärkte Nierentätigkeit. Verursacht wird das durch ganz raffinierte druckabhängige Reflexmechanismen im Körper, auf die ich hier gar nicht eingehen will, da sonst doch bloß der Kopf noch mehr raucht als er es jetzt bereits tut. Wasserverlust bedeutet Bluteindickung. Bei Bluteindickung steigt das Deko-Unfallrisiko (Warum? Vielleicht gibt das irgendwann ein eigenes Tauchmedizinisches Thema. Jetzt würde die Erklärung den Rahmen sprengen, also einfach glauben, es ist so)! Durchfall verursacht einen zusätzlichen und manchmal ganz gewaltigen Wasserverlust, womit das Deko-Unfallrisiko wirklich drastisch ansteigt.

Und immer dran denken, der Tauchcomputer zeigt seine Daten ganz normal an. Er hat ja auch keinen Durchfall!

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